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Berlin: S-Bahn-Beschäftigte schützen

Wie lassen sich Beschäftigungsbedingungen und Betriebsstabilität bei der in diesem Jahr startenden Ausschreibung der Berliner S-Bahn-Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn absichern? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Fachgesprächs, zu der die Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus von Berlin eingeladen hatte.

Die EVG fordert eine S-Bahn aus einer Hand, d.h. ohne die vom Berliner Senat geplante Losaufteilung in zwei räumliche (Nord-Süd und Stadtbahn) und fachliche Lose (Verkehrsleistung und Fahrzeugbeschaffung und -Instandhaltung) mit Loslimitierung. Eine Aufteilung würde zu Schnittstellenproblemen zwischen den beteiligten Unternehmen führen, so Robert Seifert, Vorsitzender der EVG-Betriebsgruppe S-Bahn Berlin. Dazu gehörten beispielsweise Koordinationsprobleme zwischen Verkehrsbetrieb und Werkstatt, Unklarheiten bei Haftungsfragen, Fahrzeugausfällen, Störungen und Notfällen. Auch kurzfristige Unterstützung durch ein im anderen Teilnetz tätiges Unternehmen, z.B. die Ausleihe von Fahrzeugen oder Personal mit der notwendigen Strecken- und Fahrzeugkenntnis oder die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen werde dadurch enorm erschwert. Letztlich schaffe dies bisher kaum absehbare Schwierigkeiten und gefährde die Zuverlässigkeit des Betriebs im hochkomplexen System S-Bahn. „Die Flexibilität, die wir heute bei Störungen wie bei den jüngsten Unwettern haben, wird nicht mehr gegeben sein“, so Seifert. Eine der Forderungen der EVG ist daher, dass der Aufgabenträger VBB von den Bietern die Vorlage eines plausiblen Schnittstellen- und Notfallkonzeptes inkl. Kostenkalkulation verlangen muss.

Unabhängig davon, wie die Ausschreibung letztlich aufgeteilt wird, ist die Vorgabe von fairen Lohn- und Sozialstandards und eines Personalübergangs mindestens zu den bisherigen Bedingungen sowohl notwendig als auch rechtlich möglich. Dies machte Christian Gebhardt von mobifair klar und zeigte auf, dass das europäische und deutsche Vergaberecht keine Beschränkung des Personalübergangs auf Lokführer, Zugbegleiter und Disponenten kennt. Vielmehr sei es der Wille des Gesetzgebers, dass die Beschäftigten im Wettbewerb geschützt werden. Dies werde auch von einschlägigen Kommentaren zum Vergaberecht so bewertet. Die Verordnung 1370/2007 sowie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) lasse auch die Vorgabe eines Personalübergangs für die rund 800 Werkstattbeschäftigten der hochspezialisierten Berliner S-Bahn zu, auch im Falle einer Vergabe der Beschaffungs- und Instandhaltungsleistungen für die kommenden 30 Jahre.

„Es ließen sich damit von vornherein viele Risiken vermeiden, die bei Nicht-Anordnung eines Personalübergangs bestünden“, so Gebhardt. Dazu gehörten etwa Klagen von Bietern und Beschäftigten, das Eintreten eines (Teil-) Betriebsübergangs nach § 613a BGB, falls sich die Bereitstellung von Neufahrzeugen verzögern und Gebrauchtfahrzeuge zum Einsatz kommen oder Teile von vorhanden Werkstätten weitergenutzt werden sollten, sowie die berufliche Umorientierung vieler Beschäftigter vor dem Betreiberwechsel, die dann bei der Betriebsaufnahme fehlen.

Zu den weiteren Forderungen von EVG und mobifair gehören die Vorgabe einer Mindestanzahl von jährlich 30 Berufsausbildungsplätzen, der Ausschluss bzw. die Begrenzung von Subvergaben und Leiharbeit sowie die Einhaltung und Kontrolle der gesetzlichen Mindestquote an Schwerbehinderten und Gleichgestellten. Auch dies ist mit dem europäischen und deutschen Vergaberecht vereinbar. Es fehlt nur noch der politische Wille.