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Baden-Württemberg: Qualität braucht gute Beschäftigungsbedingungen

Seit Langem weist mobifair darauf hin, dass im ÖPNV die Qualität deutlich besser werden muss, damit die Verkehrswende gelingen kann – und meint damit auch immer die Beschäftigungsbedingungen, die für die Attraktivität der Branche von entscheidender Bedeutung sind. Dass das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg nun einen „Aktionsplan Qualität im SPNV“ vorgelegt hat, der viele Probleme erkennt und sinnvolle Maßnahmen beinhaltet, begrüßt mobifair daher ausdrücklich. Jedoch geht der Plan teilweise nicht weit genug und lässt an manchen Stellen, insb. beim Thema Personal, Konkretisierungen vermissen.

In einer Pressemitteilung des Verkehrsministeriums heißt es: „Inzwischen sind sich alle Expertinnen und Experten einig, dass es die wichtigste und dringlichste Aufgabe des kommenden Jahrzehnts ist, das Niveau von Zuverlässigkeit im Besonderen und von Qualität im Allgemeinen im Schienenverkehr wieder anzuheben.“ Laut Verkehrsminister Winfried Herrmann sollen „die Zwanzigerjahre Jahre der Qualitätsverbesserung werden.“ Hier wird mobifair sicher nicht widersprechen.

Als aktuelle Probleme werden eine zunehmende Unpünktlichkeit durch Infrastrukturprobleme, mangelhafte Anschlusssicherung, ungenügende Fahrgastinformation und Fahrgastbetreuung sowie zu viele Zugausfälle, insb. durch Personalmangel identifiziert. mobifair teilt diese Erkenntnis, weist aber auch darauf hin, dass v.a. der jahrelange Wettbewerb um den billigsten Preis – auch in Baden-Württemberg – zu dieser Situation geführt hat.

Der Aktionsplan sieht u.a. folgende Maßnahmen vor:

  • Weiterentwicklung der Verkehrsverträge:
    • Stärkerer Fokus auf mehr Qualität und Zuverlässigkeit
    • Bei Pönalen stärkere Gewichtung von eigenverschuldeten Mängeln, geringere von fremdverschuldeten (z.B. wegen Baustellen)
    • Einführung eines Personalkostenindices
  • Robuste statt fahrzeitoptimierte Fahrpläne, mehr Pufferzeiten
  • Bessere Qualitätssicherung:
    • Qualitätsmanager*innen für jede Region/jeden Verkehrsvertrag
    • Mobile Qualitätsscouts
    • Ein Qualitätsanwalt für den SPNV als „Anwalt für die Fahrgäste“
  • Unternehmensübergreifende integrierte Leitstellen für Anschlusssicherung und Fahrgastinformation
  • Personalgewinnungsoffensive:
    • Unterstützung von Brancheninitiativen und EVU bei der Ausbildung
    • Sprach- und Alltags-Coaches für Geflüchtete, die sich zu Triebfahrzeugführer*innen ausbilden lassen
    • Image- und Personalkampagne für eine Beschäftigung in der Branche
  • Infrastruktur:
    • Robustes Schienennetz mit Redundanzen
    • Digitalisierung des Netzes, insb. der Leit- und Sicherungstechnik
    • Vorausschauende Instandhaltung
    • Nutzerfreundliche und gepflegte Stationen

Aus Sicht von mobifair sind diese Ansätze grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch müsste gerade beim Thema Personal noch mehr getan, v.a. aber erst einmal konkretisiert werden. So sollte insbesondere das Tariftreuegesetz des Landes überarbeitet werden, um einen sozial geschützten Personalübergang für alle Beschäftigten bei Betreiberwechsel zu garantieren, die Tariftreue zu verbessern, soziale Kriterien verpflichtend zu machen, die Vergabe an Subunternehmen weitestgehend einzuschränken und regelmäßige Kontrollen der Vorgaben durchzuführen. Hier hat das Land großen Nachholbedarf und könnte ganz konkret eine nachhaltige Verbesserung für die Beschäftigten erreichen – und damit eine höhere Attraktivität der Branche und höhere Qualität. Zumal der Koalitionsvertrag der Landesregierung aus dem Jahr 2021 eine Novelle des Gesetzes vorsieht, die bisher aber auf sich warten lässt.

In den Ausschreibungen sollten zudem ausreichende Ausbildungsquoten mit Fokus auf die Berufsausbildung und robuste Personalkonzepte verlangt sowie personalbezogene Qualitätskriterien (z.B. hinsichtlich Zugbegleitung, Sicherheitskonzept u.Ä.) bei der Angebotswertung stärker gewichtet werden. Auch an der Kommunikation im Vorfeld der Ausschreibungen sollte gearbeitet werden, etwa durch einen Dialog zwischen Aufgabenträger, Gewerkschaft und Interessenvertretung der betroffenen Betriebe. In den letzten Jahren waren zudem wichtige Ausschreibungsunterlagen nicht öffentlich zugänglich, was auch für die praktische Arbeit von mobifair und Betriebsrät*innen ein Hindernis darstellt.

Die Pressemeldung des Verkehrsministeriums enthält weitere Details zum Aktionsplan.