Suche Menü

SPNV Baden-Württemberg: Jetzt Konsequenzen ziehen

Verspätungen, Zugausfälle, Schienenersatzverkehr, runde Tische im Verkehrsministerium: In den vergangenen Wochen und Monaten war den Medien immer wieder zu entnehmen, dass es bei der Betriebsaufnahme in den Stuttgarter Netzen zu diversen, insbesondere für die Fahrgäste spürbaren Schwierigkeiten gekommen ist. Der gestaffelte Betreiberwechsel von DB Regio an Go-Ahead und Abellio wird sich noch über die kommenden Monate erstrecken – und damit womöglich auch die Probleme. mobifair hat sich nun an den Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann, gewandt, um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie bei künftigen SPNV-Ausschreibungen die Beschäftigten geschützt und zugleich die Betriebsaufnahmen verbessert werden können – für einen attraktiveren SPNV und damit auch für die ökologische Verkehrswende. mobifair-Vorstand Helmut Diener bringt den Inhalt des Schreibens auf den Punkt: „Zuletzt ist einiges schiefgelaufen, was vermeidbar gewesen wäre. Jetzt muss man aus den Erfahrungen die richtigen Konsequenzen ziehen.“

Einige Probleme waren und sind technischer Natur und betreffen vor allem die Fahrzeuge, z.B. deren rechtzeitige Auslieferung oder Bordcomputer. Andere dagegen gehen darauf zurück, dass geeignetes Personal nicht rechtzeitig im erforderlichen Umfang vorhanden war. So war es etwa nur durch Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Altbetreiber und den Neubetreibern möglich, die bisherigen Verkehre überhaupt zu gewährleisten. Dazu gehören die Praxisausbildung von Lokführern, die Übernahme von Verkehrsleistungen und die Ausleihe von Fahrzeugen mitsamt Fahrpersonal durch den Altbetreiber. Durch den Aufbau eines Standby-Lokführerpools durch das Land sollen ab 2020 Personalengpässe reduziert werden. Letztlich wird dadurch für die Eisenbahnverkehrsunternehmen, die beim Personal zu knapp kalkuliert haben, durch das Land eine Rückfallebene geschaffen.

Den Aufgabenträgern stehen jedoch schon bei der Ausschreibung umfangreiche Möglichkeiten offen, für genügend und gut qualifiziertes Personal zu sorgen. Dazu gehört insb. die Vorgabe eines Personalübergangs mindestens zu den bisherigen Bedingungen im Falle eines Betreiberwechsels für alle Beschäftigten. Bei der Ausschreibung der Stuttgarter Netze gab es diese Vorgabe nicht. Sie sah lediglich vor, dass sich die Neubetreiber verpflichten, „Beschäftigte des Altbetreibers bevorzugt zu rekrutieren“. Dementsprechend gering war angesichts dieser weit interpretierbaren Formulierung die Wechselwilligkeit der Beschäftigten. Es fehlte ganz klar der Schutz der bisherigen Lohn- und Sozialstandards sowie großer Teile der Beschäftigten, z.B. in der Werkstatt.

Eine weitere zentrale Forderung von mobifair ist die Vorgabe einer Personal- und Fahrzeugreserve, eines Personalkonzeptes für die Betriebsaufnahme sowie einer Ausbildungsquote, sodass die Unternehmen sich stärker selbst um die Ausbildung von Personal bemühen müssen statt möglichst knapp zu kalkulieren. Der landesweite Aufgabenträger aus dem benachbarten Bayern, die BEG, hat genau dies vor kurzem bei der Ausschreibung des Netzes Franken-Südthüringen getan und somit bestätigt, was mobifair und Experten für Vergaberecht schon lange sagen: Das ist durchaus rechtlich möglich, man muss nur politisch wollen.

Abschließend fordert mobifair die Begrenzung der Vergabe an Nachunternehmen auf höchstens 20%, wobei im sicherheitsrelevanten Bereich gar keine Subunternehmerleistungen zugelassen sein sollten. Oftmals wüssten die Besteller (EVU) gar nicht genau, wer letztlich die Leistung erbringe. So sei auch eine effektive Kontrolle der Qualität, aber auch der Verwendung von Steuergeldern, durch die öffentlichen Aufgabenträger nicht möglich. Wenn Nachunternehmen zum Einsatz kommen, müssten diese regelmäßig und konsequent hinsichtlich Einhaltung der Tariftreuevorgaben kontrolliert sowie bei Verstößen sanktioniert werden. Dass es hierbei in Baden-Württemberg Defizite und Nachbesserungsbedarf gibt, hat auch vor Kurzem das Gutachten zur Evaluierung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes ergeben.

Das Schreiben an Verkehrsminister Hermann findet sich hier.

Pressemitteilung

Darum geht es
Folgende Ausschreibungen stehen in den nächsten Jahren in Baden-Württemberg bevor (mit Links zum jeweiligen Steckbrief im mobifair-Vergabekalender):

Netz Betriebsaufnahme
(jeweils Dezember)
Stadtbahn Karlsruhe 2022
E-Netz Südost (Bodensee-Express) 2023
D-Netz Bodensee 2023
Ringzug Schwarzwald-Baar-Heuberg 2024-2027
Gäu-Murr 2025
Nordschwarzwald 2025
Wiesental / Hochrhein 2026
Donau-Ostalb 2026
D-Netz Südwürttemberg 2026