
Der Fahrkartenvertrieb im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) befindet sich derzeit im Wandel, nicht zuletzt durch die Einführung des Deutschlandtickets. Die Veränderungen sind nicht immer im Sinne der Fahrgäste und Beschäftigten, wie ein Blick nach Baden-Württemberg zeigt. Darauf macht eine Aktion der EVG-Betriebsgruppe DB Vertrieb Stuttgart-Ulm aufmerksam. Unterstützung bekommt sie dabei von mobifair.
In ihren Anschreiben wendet sich die Betriebsgruppe an die Bürgermeister*innen und Landrät*innen betroffener Städte und Landkreise, verkehrspolitische Sprecher und Verkehrsexperten der Landtagsfraktionen, die direkt verantwortlichen Entscheidungsträger bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) und der Landesregierung sowie an Verbände und weitere potenzielle Unterstützer.
Darin macht sie deutlich, dass es notwendig wäre, das System neu zu denken und dabei konsequent auf Qualität bei der Qualifikation der Beschäftigten sowie bei Beratung und Service auszurichten statt auf den günstigsten Preis. Problematisch ist etwa der teilweise drohende Wegfall des personenbedienten Verkaufs von Fernverkehrstickets und spezieller Produkte, die nur in DB-Reisezentren erhältlich sind, wie z.B. internationale Fahrradkarten oder verpflichtende Interrail-Reservierungen. Komplexe Reiseketten werden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen und setzen regelmäßige Schulungen und eine funktionierende Kooperation zwischen den Anbietern voraus.
Erste, sehr unterschiedliche Rückmeldungen auf das Anschreiben der Betriebsgruppe liegen bereits vor, weitere Schritte sind in Planung. mobifair bleibt am Ball und wird wieder darüber berichten.
Hintergrund:
Das Verkehrsministerium in Baden-Württemberg hat zusammen mit der NVBW, Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV), das Land in vier Vertriebsregionen aufgeteilt und will die Vertriebsleistungen nach und nach ausschreiben – getrennt von den Verkehrsleistungen, also anders als im klassischen Modell.
Das erste Paket, der Südosten des Landes mit den größten Städten Reutlingen, Tübingen, Ravensburg und Friedrichshafen, wurde im vergangenen Jahr nach einer europaweiten Ausschreibung vergeben. Ab Dezember 2025 und für 10 Jahre soll dort Transdev Vertrieb an 123 Standorten rund 190 Fahrausweisautomaten („bwegt-Automaten“), 14 umfassende Verkaufsstellen („bwegt-Fahrgastcenter“), 6 Videoreisezentren und etwa 7 bis 13 einfache Verkaufsstellen („bwegt-Agenturen“) betreiben – anstelle des bisherigen Betreibers DB Vertrieb (im Auftrag von DB Regio).
Die Ausschreibung sah als Besonderheit vor, dass sich das neue Vertriebsunternehmen, die nicht tarifgebundene Transdev Vertrieb GmbH, an die repräsentativen DB-Tarifverträge halten muss. Dies wird mobifair aufmerksam begleiten.
Laut Ausschreibungstext muss das Vertriebsunternehmen auch in bestimmten Intervallen Fahrkarten in den Zügen prüfen. Aus Sicht von mobifair ist diese Vermischung der Tätigkeiten sehr ungewöhnlich und problematisch, weil es sich um sehr unterschiedliche Tätigkeiten mit verschiedenen Anforderungsprofilen handelt, etwa beim Thema Übergriffe.