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Sachsen-Anhalt sägt an Tariftreue

Das Tariftreue- und Vergabegesetz von Sachsen-Anhalt wurde erst von wenigen Jahren überarbeitet – damals deutlich zum Besseren. Jetzt droht die Rolle rückwärts, denn derzeit wird im Landtag über eine erneute Änderung beraten, die von der schwarz-rot-gelben Landesregierung eingebracht wurde. Für sehr viele Beschäftigte und die faire Auftragsvergabe an sich würde sich vieles verschlechtern – wieder einmal im Namen des sogenannten Bürokratieabbaus und anderer blumiger Umschreibungen wie Beseitigung von Unklarheiten, Steigerung der Effizienz der Vergabeverfahren und schnelle Nutzung der Gelder aus dem Sondervermögen Infrastruktur.

So plant die Regierung eine massive Erhöhung der sog. Schwellenwerte, ab denen die Regelungen überhaupt erst greifen. Das Land hat schon jetzt die höchsten Schwellenwerte in Deutschland, künftig sollen die Schutzvorgaben sogar erst für Aufträge ab 221.000 Euro (Dienstleistungen) und rund 5,5 Mio. Euro (Bauleistungen) gelten. Damit wären laut DGB nur noch rund 10% aller öffentlichen Auftragsvergaben erfasst. Vergaben im Bereich des ÖPNV/SPNV wären aber aufgrund ihrer hohen Kosten noch abgedeckt.

Jedoch widerspricht der vorliegende Gesetzentwurf mitsamt Gesetzesbegründung den Aussagen der Regierung und es herrscht derzeit große Unklarheit. Nach Einschätzung von mobifair würden die jetzigen Formulierungen dazu führen, dass das Gesetz nur für Vergaben mit einem Auftragswert zwischen 40.000 und 221.000 Euro (bei Dienstleistungen) bzw. zwischen 120.000 und 5,5 Mio. Euro (bei Bauleistungen) gilt, nicht aber darunter und darüber hinaus. Dies würde bedeuten, dass das Gesetz weder für große Bauaufträge greifen würde, noch für den ÖPNV/SPNV. Möglicherweise handelt es sich um einen Fehler im Entwurfstext. Hier ist auf jeden Fall dringend eine Klarstellung nötig.

Die Schwellenwerte sollen künftig per Rechtsverordnung durch die Regierung festgelegt werden. Eine Änderung des Gesetzes – und damit eine Beteiligung der gewählten Landtagsabgeordneten – wäre dann nicht mehr nötig. mobifair meint: „Maximale Flexibilität – oder doch eher Arbeitnehmerschutz nach Kassenlage und Gutsherrenart?“.

Kontrollen bleiben weiterhin freiwillig, sollen aber künftig nur noch beim Hauptauftragnehmer durchgeführt werden, also nicht mehr bei Subunternehmen. Die schwarzen Schafe der Branche wird es freuen. Und selbst wenn einmal ein Verstoß aufgedeckt werden sollte: Weil Auftraggeber künftig nur noch Sanktionenvereinbaren sollen, aber nicht mehr müssen und die Höhe der Sanktionen auch noch abgesenkt wird (zwischen 1 und 5 % des Auftragswertes bis hin zum Auftragsverlust), trifft es die Wettbewerber, die es mit Vorschriften nicht ganz so genau nehmen, nicht besonders hart.

Im Bereich der Tariftreue im öffentlichen Personennahverkehr auf Schiene und Straße gibt es nur zwei Änderungen. Eine ist zu begrüßen, die andere öffnet der Untergrabung von Lohn- und Sozialstandards Tür und Tor. Die Klarstellung, dass Änderungen an den für repräsentativ erklärten Tarifverträgen während der Vertragslaufzeit durch die Unternehmen nachzuvollziehen sind – diese also nicht in 10 Jahren immer noch nach dem Stand von heute bezahlen müssen -, ist sinnvoll, auch weil es der gängigen Praxis in anderen Ländern entspricht.

Aber dass künftig Haustarifverträge als repräsentative Tarifverträge und damit als Untergrenze für die Bezahlung festgelegt werden können, lässt nichts Gutes erahnen. Diese können aus Sicht von mobifair nicht die klar definierten Kriterien für Repräsentativität erfüllen und liegen oftmals unter dem branchenüblichen Niveau. Auch in anderen Bundesländern wird derzeit seitens einiger EVUs versucht, ihre niedrigeren Haustarifverträge für repräsentativ erklären zu lassen, auch wenn im Vergleich nur wenige Beschäftige unter ihren Geltungsbereich fallen. Eine Entwicklung, die nicht Schule machen darf.

Keine Änderungen gibt es dort, wo sie aus Sicht von mobifair notwendig wären: Weiterhin ist kein Tariftreuebeirat vorgesehen, der sich aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt und Empfehlungen über die Repräsentativität von Tarifverträgen abgibt. Bei der Personalübernahme bei Betreiberwechsel auf Schiene und Straße bleibt es bei einer „Soll“- und bei der Vorgabe von sozialen und ökologischen Kriterien bei einer „Kann“-Regelung.

Mit dem Gesetz, das befristet bis 31.12.2028 gelten soll, befassen sich jetzt die drei zuständigen Ausschüsse für Wirtschaft, Inneres und Arbeit. mobifair erwartet von diesen, dass eine Verbändeanhörung durchgeführt wird, damit Einschätzungen aus der Praxis eingebracht werden können und die Diskussion wieder sachlicher und ausgewogener geführt wird.