
Die Idee, Vergaben zu beschleunigen und zu vereinfachen, begrüßt mobifair. Eine Reform des deutschen Vergaberechts ist längst überfällig. Es müssen zweifellos Hürden abgebaut und Vorgänge beschleunigt werden. Gleichzeitig müssen aber auch Absicherungen von Lohn- und Sozialstandards sowie des Umweltschutzes besser geregelt werden. Im Entwurf der Bundesregierung für ein sog. Vergabebeschleunigungsgesetz kommt Letzteres deutlich zu kurz. Große Chancen bleiben ungenutzt. Und auch, ob es wirklich zu einer Beschleunigung kommt, bleibt fraglich – und wenn ja, zu welchem Preis.
mobifair hat in seiner Stellungnahme insbesondere auf Punkte hingewiesen, die dafür sorgen würden, dass die Beschleunigung nicht zu Einbußen bei sozialen, ökologischen und qualitativen Standards führt. Der Einsatz öffentlicher Gelder kann zu einem großen volkswirtschaftlichen Nutzen führen. Diesen Aspekt sieht mobifair jedoch zu wenig ausgereizt. Eine Fokussierung auf den niedrigsten Preis muss endgültig der Vergangenheit angehören.
Hier sind einige Auszüge aus der Stellungnahme:
- Aufnahme einer verpflichtenden Vorgabe der Personalübernahme bei Betreiberwechsel im SPNV und ÖPNV. Die Einführung einer „Soll“-Regelung zur Vorgabe der Personalübernahme bei Betreiberwechsel im SPNV hat sich im Wesentlichen bewährt. Seitdem wird die Personalübernahme regelmäßig in SPNV-Ausschreibungen vorgegeben, jedoch bestehen noch einige Einschränkungen, die eine noch größere positive Wirkung auf den Schutz von Beschäftigungsbedingungen, fairere Angebotskalkulationen und stabilere Betriebsaufnahmen behindern, z.B. die nicht genau definierte Beschränkung auf „unmittelbar erforderliche Beschäftigte“. Aus „sollen“ muss zudem „müssen“ werden und die Regelung muss auch für die Vergabe von Busverkehren gelten sowie für alle betroffenen Beschäftigten.
- Die Vorgabe sozialer, qualitativer und umweltbezogener Kriterien muss zur Regel werden, weil diese aus unserer Sicht für eine verantwortungsvolle und zukunftsgewandte öffentliche Auftragsvergabe unverzichtbar ist. Dazu gehören etwa Ausbildungsquoten und hohe Standards für die Sicherheit von Reisenden und Beschäftigten, aber auch die Begrenzung von Subunternehmerketten.
- EU-konforme Direktvergaben müssen wieder ermöglicht werden. Das deutsche Vergaberecht schränkt im Vergleich mit dem europäischen Recht (VO 1370/2007/EG) die Möglichkeit von Direktvergaben im SPNV auf wenige Ausnahmen ein. Vor den Erfahrungen der letzten Jahre – mehrere Insolvenzen von Eisenbahnverkehrsunternehmen mit massiven Folgen für die Betriebsqualität und deutlich erhöhten Kosten für die öffentliche Kassen infolge von notwendigen Notvergaben und Übernahmen – ist ein grundsätzliches Überdenken des Wettbewerbsmodells nötig. Es sollte beim SPNV, der ein Rückgrat der Mobilität in Deutschland ist, nicht länger um mehr oder besseren Wettbewerb gehen, sondern um einen besseren Nahverkehr. In Deutschland sollten Direktvergaben wieder als gleichwertige Regelverfahren neben der europaweiten Ausschreibung etabliert werden, wie dies auch in anderen europäischen Ländern erfolgreich praktiziert wird.
- Qualitätsvorgaben bundesweit für die Verwendung der Bundesmittel zur Bestellung von Leistungen im SPNV. Der Bund finanziert dynamisiert mit über 10 Mrd. Euro jährlich den SPNV. Doch Vorgaben sozialer Beschäftigungsbedingungen oder Vorgaben einer einheitlich guten Qualität? Fehlanzeige! Möglichkeiten gibt es schon jetzt viele. Doch Qualität hat ihren Preis und das billigste Angebot ist nicht das Beste. mobifair fordert deshalb, dass die Delegierung der Verantwortung an die Länder und die jährliche Finanzierung an bestimmte Sozial- und Qualitätsnormen zwingend gebunden wird.
Hier geht es zur kompletten Stellungnahme.