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Lohn- und Sozialstandards werden zu Grabe getragen

3. September 2014 – Ein hölzerner Sarg steht am Bahnsteig 1 des Stuttgarter Hauptbahnhofes. Versteinerte Mienen von hunderten Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern bilden den Rahmen für dieses denkwürdige Bild. Die Angestellten des DB Regio Verkehrsbetriebs Württemberg tragen ihre Lohn- und Sozialstandards zu Grabe. Grund dafür ist die Ausschreibung der „Stuttgarter Netze“. Verkehrsminister Winfried Hermann setzt bei der Vergabe lediglich auf das billigste Angebot.

Wettbewerb hat viele Gesichter. Das Wichtigste für die Betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in diesem Fall über 2400 Menschen, ist die Absicherung ihrer Lohn- und Sozialstandards. Die EU-Verordnung 1370/2007 und das nationale Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen erlauben ausdrücklich die Festlegung von Lohn- und Sozialstandards bei Ausschreibungen und die Definition des Betreiberwechsels als Betriebsübergang. Nur dadurch werden die bestehenden Sozialstandards für die Beschäftigten auch bei einem neuen Arbeitgeber gesichert. Die Ausrede, dass es rechtlich nicht möglich sei, ist schlichtweg falsch.

Man muss die Fragen stellen, warum wehrt man sich gegen den sozialen Schutz der Beschäftigten? Ist denn für die Vergabestellen Lohn- und Arbeitsplatzraub in Ordnung? Was haben die Beschäftigten sich vorzuwerfen, dass man ihnen jetzt mit solchen Preisdrücker-Ausschreibungen an die Existenz geht?

Keiner ist gegen Wettbewerb, aber fair muss er sein. Eine Absenkung der Leistungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist der falsche Weg. Das Tariftreuegesetz in Baden-Württemberg ermöglicht eine untere Grenze der Tarifstruktur, aber ohne eine Absicherung der bestehenden Lohn- und Sozialstandards bei Ausschreibungen verlieren hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Ansprüche. Sie müssen von vorne anfangen und ihre Erfahrung im selben Netz wird nicht angerechnet. Das gilt nicht nur für die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner des DB Regio Verkehrsbetriebs Württemberg, sondern auch in Zukunft für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen, nicht nur in Baden-Württemberg. Bis zu fünfmal im Berufsleben können solche Ausschreibungen die Beschäftigten treffen. Bis zu fünfmal kann es passieren neu anzufangen. Vielleicht auf der gleichen Strecke, mit einem Zug einer anderen Farbe, aber mit wahrscheinlich geringeren Lohn und anderen Beschäftigungsbedingungen.

mobifair unterstützt die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in Stuttgart bei dieser Initiative und bleibt auf ihrer Seite. Die Aufgabenträger und die politisch Verantwortlichen müssen Reißleine ziehen.